Atlastherapie -  Faszientherapie - Thaimassage / Verschlimmerung von Beschwerden – Vorsicht bei Instabilität der Halswirbelsäule

Immer häufiger kommen Patienten in meine Praxen mit chronischen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule aufgrund einer Instabilität.

Die Ursachen sind vielfältig. Es können zum Beispiel unfallbedingte Verletzungen, angeborene Anomalien und degenerative Veränderungen ursächlich sein.

Sehr oft berichten diese Patienten über eine Verschlimmerung der Beschwerden mit Schwindel, Kopfschmerz und Übelkeit nach Einrenkmanövern, Behandlungen mit sogenannten  Atlaskorrekturgeräten und Faszienrollen.

 

Auffällig ist, dass das Einrenken, nach Angabe der Patienten, auch regelmäßig von Physiotherapeuten erfolgt.

Die Risiken, welche sich aufgrund von therapeutischen Maßnahmen einer geschädigten Struktur ergeben, sind breit gefächert. Es müssen immer Strukturläsionen im Rahmen einer ärztlichen Differenzialdiagnostik erfasst werden.  Eine Komplikation, schon bei einer nur leichten Traktion der HWS (Zug an der Halswirbelsäule) bei Kopfgelenksinstabilität und Osteoporose, kann eine lebensbedrohliche Fraktur sein. Die chirotherapeutische Manipulation ist eine rein ärztliche Behandlungsmaßnahme!

 

Erstaunt bin ich ebenso über die Häufigkeiten dieser Therapien. Eine Patientin mit nachgewiesener Kopfgelenkinstabilität (Upright MRT) erhielt, trotz Zunahme der Schmerzen und starkem Schwindel über Monate mehrfach wöchentlich eine Atlastherapie unter Zuhilfenahme eines sogenannten Atlaskorrekturgerätes. Die Leidensfähigkeit einiger Patienten ist erstaunlich.

 

Ich halte eine derartige Therapie für gefährlich und unsinnig.

 

Zur Bewertung der Atlastherapie hier ein Auszug aus dem zusammenfassenden Bericht des Arbeitsausschusses "Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Beratungen gemäß §135 Abs.1 SGB V.

 

„…Die vorgeschlagenen breiten Indikationsstellungen lassen sich wissenschaftlich begründet nicht nachvollziehen, ebenso wenig Dosierung und Notwendigleit der angeforderten Röntgendiagnostik. Tatsächlich wird Atlastherapie in aller Regel im Rahmen manualmedizinischer Diagnostik und Therapie durchgeführt. Postulierte Wirkungen werden der Atlastherapie zugeschrieben, obgleich zahlreiche andere Techniken parallel durchgeführt werden. Die von Atlastherapeuten vorgeschlagenen pathophysiologischen Hypothesen zur Wirkweise erscheinen unwahrscheinlich und gezielte wissenschaftliche Grundlagenforschung zu diesem Thema ist nicht bekannt….“

 

Immer wieder kommen Patienten mit chronischen Rückenschmerzen in meine Praxis, welche sich zunächst ohne ärztliche Diagnostik nur von Osteopathen oder in fernöstlichen Massagestuben behandeln ließen. Da wird viel rumgedrückt, gerenkt, massiert, geknetet und rumgedeutelt bis der schmerzgeplagte Patient dann doch zum Arzt kommt. Gerade nach den nicht ganz sanften, fernöstlichen Massagebehandlungen kommt es immer wieder  zu einer massiven Verstärkung der Schmerzen.

Menschen mit erheblichen Rückenbeschwerden suchen auch primär einen Nicht-Facharzt auf. Dieser führt oft zunächst zahlreiche technische Untersuchungen in seiner Praxis durch. Dazu gehören gerne das EKG, Lungenfunktion, Bauchultraschall und zahlreiche Laboruntersuchungen.

Wenn die Beschwerden nach einiger Zeit nicht verschwunden sind, wird dann ein MRT veranlasst. Eine fachärztliche, orthopädische Betreuung wird zu diesem Zeitpunkt oft immer noch nicht für erforderlich gehalten.

Radiologisch kann sich möglicherweise irgendeine Veränderung im Beschwerdebereich, wie zum Beispiel ein Bandscheibenvorfall, zeigen.

 

Stellt sich der Patient daraufhin in meiner orthopädischen Praxis vor, wird immer wieder berichtet, dass eine ärztliche Untersuchung der Wirbelsäule noch gar nicht erfolgt sei! Man habe den Rücken bisher noch nie vorzeigen müssen.

 

In zahlreichen Fällen habe ich dann lediglich eine simple Wirbelblockierung diagnostiziert und gelöst. Der Patient ist dann in der Regel sofort beschwerdefrei. Der Befund im MRT war ein sogenannter Zufallsbefund und hatte mit den Schmerzen des Patienten gar nichts zu tun!  Auch die weiteren Untersuchungen wären nicht zwingend erforderlich gewesen.

 

Eine andere Variante des Vorgehens besteht nach Berichten meiner Patienten darin bei der Erstvorstellung einfach nur eine radiologische Überweisung und ein Rheumamedikament wie z.B. Ibuprofen zu bekommen. Die körperliche, orthopädische Untersuchung unterbleibt offensichtlich häufiger als gedacht.

 

Ich empfehle ein anderes Vorgehen. Zunächst dem Patienten gut zuhören und symptomatisch körperlich untersuchen. Je nach Vorbildung und Qualifikation sollte bei Unklarheiten oder fortbestehenden Beschwerden immer ein Facharzt für Orthopädie aufgesucht werden.

Die Indikation zu einem MRT wird nach meiner Auffassung viel zu schnell gestellt und der Wert einer MRT-Untersuchung sehr stark überbewertet.

 

Die Ursachen für die von mir beklagten Umstände sind vielfältig: z.B.  Praxisüberlastung und Zeitmangel, Facharztmangel, Ansprüche bzw. Forderungen der Patienten, Unwissenheit, finanzielle Faktoren, juristische Faktoren, Selbstüberschätzung, Budgetierung, Finanzierungsmodelle der Krankenkassen, unfähige Gesundheitspolitiker …

 

Ja, Patienten und Ärzte haben es schwer.

 

Aber wir sind noch nie so gesund alt geworden!